Suppenmord by Edda Minck

Suppenmord by Edda Minck

Autor:Edda Minck
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Kriminalroman
ISBN: 9783644477919
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2013-07-26T22:00:00+00:00


Und so war es auch nicht verwunderlich, dass Viktor, als Hölderling in die Bibliothek kam, sagte: «Hey, du siehst aus wie ich!»

«Was schon rein physiologisch nicht sein kann. Wo du konkav bist, bin ich konvex. Außerdem trage ich grad keinen weißen Saunamantel so wie du. Ich bin vollständig angezogen.»

«Aber das Hemd und der Schal könnten von mir sein. Und übrigens, dieses graue Tweed-Jackett macht aus dir einen wahren Gentleman. Ich glaube, deine Sophie arbeitet an einem Imagewechsel für dich.»

«Das schafft sie nicht. Wenn ich zurück bin, werde ich mich bei ihr beschweren. Ich weiß gar nicht, woher dieser Kram kommt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so einen Pullover gekauft zu haben. Und diese Hosen! – Ich sehe …»

«Zehn Jahre jünger aus, wenn du mich fragst. Aber du fragst ja nicht.»

«Genau. Hat der Koch sich schon mit dem Mittagessen blicken lassen?»

«Nein. Er brütet wahrscheinlich noch immer über dem verschmähten Frühstück und dem verschmähten Festdinner … ich meine, wenn das so weitergeht, kommt er sich doch total … na ja, verschmäht eben und zurückgewiesen vor.»

«Du bist so zutraulich, Viktor. Woher kommt diese neue Tendenz, dich in die Stimmungen anderer Leute einzufühlen?»

Plötzlich wurde Viktor ernst. «Situationsbedingt. Findest du nicht, dass wir in einer heiklen Lage stecken? Geradezu gefährlich. Und ich muss gestehen, ich mache mir ein wenig Sorgen – nicht um alle, aber um einige. Und der Koch gehört dazu. Ich finde ihn so … praktisch. Er erinnert mich an den Koch, den mein Vater mal eingestellt hatte. Ich mochte den Kerl irgendwie. Der war aus Ungarn und konnte Palatschinken machen. So dünn, dass man die Zeitung dadurch lesen konnte, jedenfalls bevor er sie überbacken hat.»

«Mochtest du ihn lieber als dein Kindermädchen?»

«Ähhh, nein. Aber mehr als meine Schwestern und meinen Reitlehrer … und alle anderen.»

«Wie tröstlich, dass auch du im Angesicht von Todesgefahr ans Essen denkst. Wir sollten Blutsbrüderschaft schließen.»

Hölderling und Viktor flachsten für gewöhnlich, dass die Tapeten von den Wänden fielen, aber beide wussten trotzdem immer, wie es um den anderen wirklich bestellt war. Der Rest der 13/I, bis auf Annelies, wusste das nicht – für seine Mitschüler war Viktor ein arroganter Fatzke, geboren mit einem goldenen Löffel im Mund. Für Hölderling war er alles andere als das. Die beiden hatten sich im Gymnasium angefreundet, als Viktor in der Unterprima plötzlich in die Klasse gekommen war und sich mehr schlecht als recht integrieren konnte. Für Viktor war der Fall aus einem Internatsnest in der Schweiz mitten hinein in ein Kölner Gymnasium zunächst so etwas wie der Weltuntergang gewesen. Viel schlimmer als der Tod seines Vaters und der dazugehörige finanzielle und gesellschaftliche Abstieg der Witwe samt ihren Kindern. Viktors Vater hatte, gelinde gesagt, ein Desaster hinterlassen – inklusive einer zweiten Familie, von der Mutter Liebermann in zwanzig Jahren Ehe nichts geahnt hatte. Die Mutter, samt Viktor und seinen beiden jüngeren Schwestern, waren in die Domstadt geflüchtet, wo keiner sie kannte.

Viktor hatte damals zwar perfekt in Englisch und Französisch parliert, aber noch nicht einmal die Alltagssprache der kölschen Kids verstanden. Im ersten Halbjahr hatte er so gut wie kein Wort über die Lippen gebracht.



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